Zur Geschichte der Bielefelder Meisenstraße 65
Von der NS-Kriegsmobilisierung zur Konversion
Andreas Beaugrand
Inhalt
- Prolog
- Militarismus, Aufrüstung und Kasernenbau in Bielefeld
- Das Heeresverpflegungsamt in der Meisenstraße
- Das Ende des Zweiten Weltkriegs und die britischen Streitkräfte in Bielefeld
- Konversion. Die GAB Gesellschaft für Arbeit und Berufsförderung in der Meisenstraße 65
Prolog
Adolf Hitler war zweifellos einer der größten, verhängnisvollsten und verbrecherischsten Täter der Weltgeschichte
,1 schreibt Jörg
Fisch 2012 in der Neuen Zürcher Zeitung. Tatsächlich hat Adolf Hitler, der Österreicher aus Braunau am Inn, mit seinen propagandistischen und diktatorischen Fähigkeiten Deutschland und die Welt in den gut zwölf Jahren seines
Tausendjährigen Reichs
in Schutt und Asche gelegt und durch perfekt organisierten millionenfachen Mord, technisierten Krieg und ungeheure Gewalt Elend, Angst und Verzweiflung über die Menschheit gebracht, nachdem es
ihm durch eine Nationalisierung der Massen
2 gelungen war, die Deutschen in den Totalen Krieg
(Propagandaminister Joseph Goebbels) zu führen.
Traumatisiert durch narzisstische Störungen in Kindheit, Jugend und Erstem Weltkrieg war Hitlers psychotischer, symbiotischer und ideologisierter Größenwahn – Ein Volk, ein Reich, ein Führer
– von Anfang
an auf Zerstörung ausgerichtet.3 Bereits 1923/1924 hatte Adolf Hitler während seiner sogenannten Festungshaft
in der Justizvollzugsanstalt
in Landsberg am Lech in seinem politischen Grundlagenwerk, der Vernichtungsideologie Mein Kampf, zum Thema Kriegspropaganda
(6. Kapitel) das Folgende geschrieben: Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr
geistiges Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt. Damit wird ihre rein geistige Höhe um so tiefer zu stellen sein, je größer die zu erfassende Masse der
Menschen sein soll. Handelt es sich aber, wie bei der Propaganda für die Durchhaltung eines Krieges, darum, ein ganzes Volk in ihren Wirkungsbereich zu ziehen, so kann die Vorsicht bei der Vermeidung zu hoher geistiger Voraussetzungen
gar nicht groß genug sein.
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Auch Bielefeld und die Bielefelder erlagen der perfiden NS-Propaganda: Bei den Kommunalwahlen vom 12. März 1933 gewann die NSDAP fast die Hälfte aller Sitze im Rat, in Gadderbaum erhielt sie sogar 56,8 Prozent der abgegebenen Stimmen. Zusammen mit ca. elf Prozent für die sogenannte Kampffront Schwarz-Weiß-Rot hatten damit gut zwei Drittel aller Bielefelder Wähler den Gegnern der Demokratie ihre Stimme gegeben:6 Bielefelds Weg in die Katastrophe des Nationalsozialismus.
Militarismus, Aufrüstung und Kasernenbau in Bielefeld
Nach dem Erlass des sogenannten Wehrgesetzes vom 21. Mai 1935 durch den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler
, Reichswehrminister von Blomberg
und Reichsminister des Innern, Frick
,7 begann umgehend die militärische Aufrüstung des nationalsozialistischen Deutschlands durch unzählige große Wehrmachtsaufträge an die deutsche Metall-, Textil- und Bauindustrie vergeben.8 Ganz Deutschland wurde seitdem von einer ungeheuren Flut von Militäranlagen, Kasernen und Bunkern überzogen
, so auch Bielefeld.
Am 25. Juli 1935 wurde die Stadt Bielefeld durch den sogenannten Garnisonsvertrag wieder Garnisonsstadt. Die Stadt verpflichtete sich, für eine Infanterie- und Artillerie-Kaserne in
Stieghorst ca. 29,52 ha, für die Nachrichtenkaserne an der Oldentruper Straße ca. 8,75 ha, für die Unterkunft des Divisionsstabes an der Ravensberger Straße rd. 1,00 ha und für den Neubau
eines Offizierheimes an der Osningstraße rd. 0,8 ha
zusammen mit etwa 60 Hektar Land in Senne 1 als Standortübungsplatz
kostenlos dem Reich zu übereignen.9
Es folgte ein wahrer Bauboom in Bielefeld, nachdem im Sommer 1935 auch das Wehrmeldeamt Bielefeld eingerichtet worden war.10 Zahlreiche Dienststellen des Heeres und Einrichtungen der
Deutschen Wehrmacht wurden neu gebaut, anfangs noch unter der am 1. Juli 1934 gegründeten Heeresneubauleitung Bielefeld des Heeresbauamtes Minden
, vom 4. Juni 1936 unter der Leitung des zunächst gebildeten
Heeresbauamtes I in Bielefeld, dem wenig später das Heeresbauamt II zur Seite gestellt wurde.11
So konnten Landrat Dr. August Beckhaus, Bielefelds Oberbürgermeister Friedrich Budde und NSDAP-Kreisleiter Fritz Himmerich schon am 14. September 1935 die auf dem Kasernenkomplex der Infanteriekaserne nördlich des Hellwegs erste neuerrichtete Kaserne feierlich eröffnen: die Wangenheim-Kaserne.12
Zur gleichen Zeit wurde auf dem benachbarten Gelände der Bau der Artillerieunterkünfte abgeschlossen und am 21. September 1935 eröffnet: Der Komplex bestand aus dem Stabsgebäude, 3 Mannschaftshäusern,
1 Wirtschaftsgebäude, einem Geschützschuppen, 4 Fahrzeughallen, 1 Exerzierhaus, einer Werkstatt mit Waffenmeisterei sowie einigen Nebengebäuden;
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südlich davon befanden sich der Exerzier- und Richtübungsplatz. Seit dem 17. Dezember 1938 hieß dieses Areal Lauter-Kaserne, das ab März 1939 nochmals um 6 Mannschaftsbaracken, 2 Geschäftszimmer- und Kammerbaracken,
1 Wirtschaftsbaracke, 2 Badebaracken, 2 Fahrzeughallen und 1 Wache
erweitert wurde.14
Am 10. Juni 1936 begannen die Umbauarbeiten des Brüntrup’schen Hofes (errichtet 1799) zur Heeresstandortverwaltung und der Neubau eines Verwaltungsgebäudes an der heereseigenen Straße zwischen Wangenheim- und Lauter-Kaserne
– früher
Stieghorst Nr. 1, heute Lipper Hellweg – auf dem seit 1934 in Reichsbesitz befindlichen Kasernengelände. Die Baumaßnahmen waren im März 1939 abgeschlossen.15
Am 23. September 1935 begann auf einem neun Hektar großen Gelände an der Oldentruper Straße, die zwischen 1935 und 1945 Langemarckstraße hieß, der Bau einer Nachrichtenkaserne, der Ende 1938 abgeschlossen war und Langemarck-Kaserne genannt wurde. Gegenüber der neuen Kaserne wurde zeitgleich mit dem Bau eines weiteren Barackenlagers begonnen, das im August 1940 fertiggestellt war. Dort wurde des Weiteren drei Lagergebäude des Heeressnebenzeugamtes Bielefeld errichtet, ein viertes wurde wegen des Kriegsbeginns nicht mehr fertiggestellt.16
Im Oktober 1936 wurde mit dem Bau des Offizierskasinos an der Osningstraße begonnen (Fertigstellung am 19. Oktober 1938)17
und am 2. August 1938 mit dem Bau des Heeresnebenzeugamtes
an der Oldentruper Straße (Fertigstellung von drei Lagergebäuden bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs, dann Baustopp).18
Im August 1936 begann an der Detmolder Straße in Bielefeld-Sieker der Bau einer Infanterie-Kaserne, der im März 1938 abgeschlossen wurde. Die Kaserne hieß zunächst Rackow- und seit Dezember 1939 Bülow-Kaserne.19
Für die Verwaltung der 6. Infanterie-Division, die zunächst provisorisch in den Gebäuden der 1929 errichteten Lessing-Oberrealschule (heute Helmholtz-Gymnasium) untergebracht war, errichtete man in
der Ravensberger Straße 117 von Juli 1936 bis September 1937 ein neues Hauptgebäude, flankiert im Osten durch das Kriegsgericht und im Westen durch das Wehrbezirkskommando
, die zeitgleich entstanden.
1938 wurde schließlich mit dem Bau des Luftwaffenbekleidungsamtes am Stadtholz begonnen, das am 16. August 1940 fertiggestellt war. Für die etwa 1250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter errichtete man auf dem drei Hektar großen Gelände zwischen Stadtholz und Heeper Straße knapp 200 Wohnungen; weitere 90 Wohnungen waren für Heeresangehörige vorgesehen.20
Das Heeresverpflegungsamt in der Meisenstraße
Um die große Bielefelder Garnison mit ihren vielen Kasernen, militärischen Anlagen und die in ihnen stationierten Soldaten zentral mit Lebensmitteln versorgen zu können, gründete die Heeresstandortverwaltung in ihrem noch provisorischen Sitz in der Herforder Straße 21 a am 1. Juli 1936 das Heeresverpflegungsamt, dessen zunehmend größer werdende Verwaltung seit dem 23. März 1937 zunächst in angemieteten Räumen der Firma Küster Nachf. in der Niedernstraße 23–25 residierte21 und von hier aus die an verschiedenen Orten der Stadt angemietete Lebensmittel-, Raufutter- und Strohlagerhäuser betreute – etwa in der Herforder und Heeper Straße, in der Turnerstraße, am Ostbahnhof, an der Straßenbahnendstation Sieker, an der Pottenau u.a.m.22
Um diesen logistisch schwer zu bewältigenden Zustand zu verbessern, befahl die Wehrkreisverwaltung dem Heeresbauamt II am 22. Februar 1937 die den Neubau eines zentralen Heeresverpflegungsamtes.23 Zu diesem Zweck erwarb die Heeresverwaltung von den Landwirten Meyer zu Ehlentrup und Meyer zu Sieker insgesamt gut fünf Hektar Land an der Meisenstraße,24 um eines von seinerzeit weit über zweihundert Heeresverpflegungsämtern im Deutschen Reich nach gleichen Baumuster zu errichten.25
Am 17. März 1937 begannen der Bau des Verwaltungsgebäudes, eines Dienstwohngebäudes, der Raufutterscheune
26 und der
Kornspeicher von je 1.800 Tonnen Fassungsvermögen. Wie auch bei den anderen Bielefelder Militärbaustellen waren in der Meisenstraße zumeist regionale Baufirmen tätig.27
Wegen des feuchten Baugrundes erwiesen sich die Arbeiten bei den Speichergebäuden als aufwendig, langwierig und teuer28 – weil die Fundamente
besonders isoliert werden mussten und weil wegen der seit dem 1. April 1937 geltenden Kontingentierung des Eisenverbrauchs Baumaterial fehlte – eine Folge der kolossalen Aufrüstung des Deutschen
Reichs.29 Dennoch konnte bereits am 5. November 1937 das Richtfest eines Kornspeichers gefeiert werden, der am 1. Juli 1938
seiner Bestimmung übergeben wurde, die im Sinne der nationalsozialistischen Kunstvorstellung auch nach außen sichtbar gemacht wurde:
Die Stadt Bielefeld verpflichtete sich, für den Ausbau der Meisenstraße zu sorgen, mit der Deutschen Reichsbahn wurde ein Gleisanschluss (1435 mm) an das Reichsbahnnetz vereinbart. Im Heeresverpflegungsamt Bielefeld stand eine eigene Lokomotive für Rangierarbeiten zur Verfügung. Den Anfang machte 1939 eine kleinere Deutz-Lokomotive vom Typ OMZ 122 R, im Herbst 1941 folgte eine stärkere Deutz-Lokomotive (Köf II) vom Typ A6M 517 R.30
Bereits während der Bauzeit des heute Speicher I genannten Kornspeichers wurde der Bau des zweiten Kornspeichers begonnen (heute Speicher II) sowie die Errichtung von zwei Mehlspeichern zu je 2.000 Tonnen Fassungsvermögen, ein Gemeinschaftsgebäude, ein Wohngebäude und eine Kraftfahrzeughalle
beschlossen, was jedoch wegen des noch tobenden Zweiten Weltkriegs nicht mehr vollendet werden konnte. Darüber hinaus sollte eine Heeresbäckerei angegliedert werden, deren Errichtung vom OKH genehmigt worden war, dann aber zurückgestellt wurde und letztlich nicht zur Ausführung kam
,31 zumal Bielefeld mehrfach und insbesondere am 30. September 1944 Ziel alliierter Bombenangriffe gewesen ist.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs und die britischen Streitkräfte in Bielefeld
Das nationalsozialistische Deutschland stand inzwischen kurz vor der Kapitulation und die gesellschaftlichen und militärischen Organisationsstrukturen brachen auch in Bielefeld
zusehends in sich zusammen. Am Ostersonntag, dem 1. April 1945, war die US-amerikanische Armee bis zur Autobahn bei Lämershagen, Oerlinghausen und Windelsbleiche vorgerückt, am 2. April erreichte sie die
Nordseite des Teutoburger Waldes und am 5. April 1945 rückten die amerikanischen Truppen von Ummeln über die Gütersloher Straße frühmorgens um 6 Uhr auf Bielefeld vor.
Nach einigen kleineren, aber
im Detail tragischen Gefechten in Brackwede und Gadderbaum ergab sich die Stadt Bielefeld durch Pastor Karl Pawlowski, dem Leiter des Johannesstifts, der amerikanischen Armee, nachdem sich die NSDAP-Parteibonzen,
die militärische Führung und die Polizeileitung aus der Stadt abgesetzt hatten und sich Oberbürgermeister Budde in einem Betheler Krankenhaus versteckt
hielt.32 Die Einwohner der Stadt begannen, sich in diesen Tagen auf zu erwartende – noch – schlechtere Zeiten
vorzubereiten und richteten ihre Begehrlichkeiten mehr und mehr auf die großen Bestände an Kleidung und Nahrungsmitteln des Luftwaffenbekleidungsamtes und des Heeresverpflegungsamtes an der
Meisenstraße.
33 Die noch verbliebene Polizei war machtlos, auch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene begannen
mit der Plünderung von Häusern und Wohnungen.
Am 8. Mai 1945 kapitulierte schließlich die deutsche Wehrmacht, die Katastrophe des Angst, Leid und Schmerz bringenden Totalen Krieges
eines Joseph Goebbels war
vorbei.35 Mit ihrer Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945 übernahmen die Alliierten
kraft Besatzungsrechts die oberste Regierungsgewalt. In der Erklärung heißt es über die Stationierung alliierter Streitkräfte: Sämtliche Waffen, Munition und Kriegsgeräte sowie militärische Einrichtungen und Anlagen
und Einrichtungen des Verkehrs und des Nachrichtenwesens müssen in gutem Zustand zur Verwendung durch die Alliierten vorgehalten werden. Die Zerstörung, Beschädigung oder Verbergung der Einrichtungen, deren Eigentums
und derer Archive und Akten ist verboten. Die Alliierten werden nach eigenem Ermessen Streitkräfte in einem Teil oder allen Teilen Deutschlands
stationieren.
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Für Bielefeld hatten die Alliierten vorgesehen, dass die Verwaltung des besetzten Gebietes durch die Briten erfolgen sollte: Bereits am 8. April 1945 übernahm deren Militärregierung unter der Leitung von Major Douglas Mac Olive die Kontrolle in Bielefeld, der bis 1951 im Amt geblieben ist und in chaotischen Zeiten für das zerstörte Bielefeld – zwischen Deutschen und Briten vermittelnd – Erstaunliches geleistet hat.37
Für die britischen Besatzungstruppen wurden nach und nach die Bielefelder Kasernen der Wehrmacht genutzt. Es wurde davon ausgegangen, dass eine britische Besatzung von 6000 Soldaten einschließlich 100 Offizieren und 400 Unteroffizieren
in Bielefeld stationiert sein würde. Zusätzlich benötigte man etwa 250 Wohnungen für Angehörige. Im Sommer 1945 war die Bülow-Kaserne an der Detmolder Straße 282/84 (…) wie die Langemarck-Kaserne an der Oldentruper Straße bereits mit
Soldaten belegt, ebenso die Fröbelschule. Zur Verfügung standen darüber hinaus das Offizierskasino an der Osningstraße 40, ein Gebäude der früheren Gewerkschaften in der Schulstraße 10, das Haus des Wehrbezirkskommandos in der
Sadowastraße 31 (heute Teutoburger Straße) und die Gebäude des früheren Divisionsstabs und Divisionsgerichts in der Ravensberger Straße 119/123. Zu den militärischen Einrichtungen rechneten auch das Heeresverpflegungsamt in der Meisenstraße
und das Luftwaffenbekleidungsamt Am Stadtholz.
38 Die Gutenbergschule und das Seidensticker-Firmenareal an der Herforder Straße sowie andere
private Gebäude wie Hotels oder Villen wie etwa die Crüwell-Villa in der Bergstraße (heute Crüwellstraße) wurden freigehalten bzw. mit dem Field Security Service
besetzt.
Aus der Lauter- und Wangenheim-Kaserne der Wehrmacht wurden die Catterick Barracks,39 in der bis heute ein Corps der British Army of the Rhine (seit 2013 Headquarter British Forces Germany, HQ I BFG) stationiert ist und bis 2015 das 7 Transport Regiment Royal Logistic Corp untergebracht war.
Gegenüber der ehemaligen Langemarck-Kaserne errichteten die britischen Streitkräfte später die Harrogate Barracks,40 die 1994 geschlossen und zum Wohnquartier umgebaut wurden. Das Luftwaffenbekleidungsamtes Am Stadtholz wurde zunächst zu den Brixton Barracks, die später in Richmond Barracks41 umbenannt, 1992 geschlossen und nach jahrelanger Nutzung durch die Fachhochschule Bielefeld und das Bundesministerium für Migration zum Lenkwerk umgebaut werden. Aus der Bülow-Kaserne schließlich wurden die Ripon Barracks,42 die 1994 geschlossen wurden. Sie bieten heute Raum für die Georg-Müller-Schule, das Elfriede-Eilers-Zentrum der Arbeiterwohlfahrt (AWO) OWL und ein neues Wohngebiet.
Ein Teil des Kasernengeländes an der Ravensberger Straße wurde nach 1955 von der Deutschen Bundeswehr übernommen; in der Ravensberger Straße 117 befindet sich heute u.a. die Wehrdienstberatung. Aus der
Langemarck-Kaserne wurden einerseits die Mossbank Barracks,43 die 1993 geschlossen worden sind, und
andererseits die heute noch bestehenden Rochdale Barracks,44 zu denen im Laufe ihres Bestehens die
Reeth Barracks45 (1994 geschlossen) und die
Redcar Barracks46 gehörten. Dazu zählten auch das Areal an der Friedrich-Hagemann-Straße – heute das Gelände
des Technischen Hilfswerks und anderer Industriebetriebe wie die Sauerstoffwerk Friedrichshafen GmbH –, sowie das Gelände des ehemaligen Heeresverpflegungsamtes an der Meisenstraße, das die Briten bis 1994 als
Depot47 und Bäckerei nutzten und hier die folgenden Einheiten stationiert hatten: 64 Ordnance Company RAOC
(Royal Army Ordnance Corps), the 85 Supply Depot RAOC, and the 54 Security Section, a sub-unit of 5 Security Company in Plathnerstrasse, Hannover,
closed 26 July 1994.
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Vom früheren Heeresverpflegungsamt sind heute die beiden großen Speichergebäude, die Raufutterscheune, das Waagehaus und das Dienstgebäude erhalten. Das auf dem Gelände vorhandene Bäckereigebäude und das Brotlager wurden von den Briten errichtet und stammen nicht aus der Entstehungszeit des Heeresverpflegungsamtes.
Konversion. Die GAB Gesellschaft für Arbeit und Berufsförderung in der Meisenstraße 65
Die ab August 1945 in der Britischen Besatzungszone aus der 21st Army Group gebildete British Army of the Rhine (BAOR) wurde nach dem Ende des Kalten Krieges am 31. März 1994 aufgelöst und Teile der Truppenverbände in British Forces Germany (BFG) umbenannt. Sie hatte ihr Hauptquartier von Mai 1945 bis 1954 in Bad Oeynhausen, anschließend im JHQ Rheindahlen im Westen Mönchengladbachs, die 2013 ebenfalls geschlossen wurde.
Nachdem die British Forces Germany auch den Standort Meisenstraße verlassen hatten, fiel das Gelände an den Bund, vertreten durch das Bundesvermögensamt, das zunächst prüfen musste, ob die Stadt Bielefeld oder andere staatliche Stellen ein Nutzungs- bzw. Übertragungsinteresse hatten. Zwischenzeitlich veranlasste das Bundesvermögensamt Bielefeld auf dem Gelände der Meisenstraße Bodenuntersuchungen und ließ zugleich eine Zwischennutzung von Teilflächen auf Mietbasis zu. In dieser Zeit war GAB-Geschäftsführer Franz Schaible verstärkt auf der Suche nach dauerhaften Nutzungsmöglichkeiten einer erschwinglichen Liegenschaft für seine Sozial- und Beschäftigungsprojekte für Arbeitslose. Er mietete für sich und seine Sekretärin zunächst ein Büro im Alten Dienstgebäude. Als erstes Beschäftigungsprojekt zog eine Restaurationsarbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) in die Alte Futterscheune ein, um hier das Ständerwerk des Rödinghausener Hauses Möllering aus dem Jahr 1590 zu restaurieren und in der Halle wiederaufzubauen. Jahre später wurde das Haus Möllering zum Haupthaus des Bauernhausmuseums Bielefeld.49
Zwischenzeitlich suchte das Bundesvermögensamt weiterhin nach einem Käufer.
GAB-Geschäftsführer Franz Schaible hatte bereits am 11. Mai 1995 in einem dreiseitigen Schreiben an das Bundesvermögensamt in der Bielefelder Turnerstraße 48 sein Kaufinteresse an einem Teil
des ehemaligen Kasernengeländes bekundet und ausführlich das Konzept seiner Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung erläutert. Er beschrieb darin die zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten
des Geländes – u.a. Unterbringung der GAB-Verwaltung, Kooperationsprojekte für psychisch Behinderte, sozialpädagogische Betreuung von Auszubildenden, Werkstatt für Maschinen- und Werkzeugrecycling
und Krankenhausinventar, Sozialberatung für Langzeitarbeitslose, Wiederaufbau eines historischen Bauernhauses, Einrichtung einer Gebrauchtartikelbörse – und bat zugleich um Anwendung der Grundsätze zur
Verbilligung beim Erwerb bundeseigener Grundstücke.
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Nach knapp zwei Jahren Verhandlungszeit war man sich einig geworden und das Bundesvermögensamt verkaufte einen Teil des Kasernengeländes am 27. März 1997 an die Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung.51
Neben eigenen Projekten der GAB befindet sich heute eine Vielzahl von Einrichtungen, Vereinen und Firmen auf dem Gelände, die von Künstlerateliers über gewerbliche Betriebe bis hin zu größeren Dienstleistungsunternehmen wie z.B. der eurobahn Bielefeld reichen. Die eurobahn Bielefeld, die im Personennahverkehr tätig ist, errichtete im Seitenbereich des Geländes ein neues Betriebswerk, für das der alte noch vorhandene Gleisanschluss weiterhin genutzt wird; die übrigen Bahngleise in das Meisenstraßengelände wurden aufgegeben und sind noch rudimentär im Boden zu sehen.
In den umgebauten und sanierten Speicher II ist ein innovatives Gründerzentrum eingezogen, die Sektion Bielefeld des Deutschen Alpenvereins hat im Speicher I Kletterwände eingerichtet und errichtet seit 2018 auf dem GAB-Gelände ein neues eigenes Gebäude in einer durchaus spektakulären Architektur.
In der alten Bäckerei ist bis heute die Gebraucht-Artikel-Börse, ein Sozialkaufhaus, untergebracht und in den früheren Kasernenladen, im Lageplan als Fresh issue bay
bezeichnet,
ist das Bielefelder Bürgerfernsehen Kanal 21 eingezogen.52 Darüber hinaus befindet sich das Veranstaltungszentrum der Stiftung Kultur- und Kommunikationszentrum Sieker (KuKS) auf dem Gelände.
Franz Schaibles Konzept für die Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung auf dem Gelände der Meisenstraße 65 bestand von Anfang an darin, auf dem ehemals militärisch genutzten Gelände einen
Ort der Vielfalt
zu schaffen. Das ist gelungen und bildet heute das Leitmotiv für die gesamte Anlage. Die Sozial-, Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekte für Arbeitslose sollten von
Anfang an in diesem Ort eingebettet werden. Heute nutzt, vermietet und verpachtet die GAB-Service- und Verwaltungs-GmbH Bielefeld Büros, Werkstätten, Ateliers, Gebäudetrakte und Grundstücksflächen
auf dem insgesamt etwa 52.000 m² großen Grundstück.